Hintergrundinfos: Ladakh und Zanskar

1. Einleitung

2. Trekking in Ladakh

3. Geschichte

4. Zanskar

5. Die Menschen

 

ladakh-karte

 

1. Einleitung

Ladakh - das Land der Pässe - ist ein von Extremen geprägter Lebensraum. Hier konnten über Jahrtausende hinweg nur Menschen überleben, weil sie der Natur durch Weidewirtschaft und Bewässerungssystemen wenigstens das Überleben einer begrenzen Zahl von Bewohnern ermöglichte. Ohne Wasser, das durch Kanäle von den Seitenbächen angezapft wird, würde weder Gerste noch Buchweizen oder anderes Getreide gedeihen, andernfalls wäre man darauf angewiesen, durch Handelsaktivitäten, das Getreide zu erhalten. Ein ökonomisches Verhalten, das sowohl für Nomaden in Ladakh als auch in Tibet mancherorts noch immer charakteristiosch ist.
In Leh, der Hauptstadt des einstigen Königreichs, trafen Karawanen von Yarkand, Kashmir, Kulu und Lhasa aufeinander. Über bewährte Handelswege, ungeachtet der hohen Pässe, Wüsten und endlosen Steppen, wurden die Waren auf Tragetieren nach Leh gebracht und von dort weiter verteilt. Händler aus allen benachbarten Regionen ließen sich zeitweise oder permanent nieder, um den lukrativen Handel abzuwickeln. Der Jahrhunderte alte Fernhandel kam durch die politischen Ereignisse nach der Unabhängigkeit Indiens zum völligen Stillstand. Aber noch immer wird die Paschminarohwolle von Ladakh nach Kaschmir verkauft und dort wie schon seit Jahrhunderten zu hochwertigen Wollerzeugnissen verarbeitet.
Manche nennen Ladakh das "Kleine Tibet". Dies rührt vornehmlich daher, dass Ladakh und Tibet über mehr als 1000 Jahre in unterschiedlicher Weise stets miteinander verbunden sind. Dafür maßgeblich war die Ausbreitung des Buddhismus und im speziellen die Entwicklung des tibetischen Buddhismus im Himalaya, der im Zusammenhang mit den politischen Herrschaftsverhältnissen zwischen den westtibetischen Reichen und Zentraltibet und dem Niedergang des Buddhismus in Indien steht. Darüber hinaus reichen die Verbindungen sowohl ethnisch als auch sprachlich noch viel weiter in die Vergangenheit zurück.
Die Klöster Ladakhs sind noch immer Zeugnisse eines lebendigen Glaubens. Wenn früher die Mönche nach Tibet gingen, um dort die höheren Weihen der buddhistischen Lehren zu erhalten, dann lernen die Mönche in den Klöstern Indiens, die nach der Flucht des Dalai Lama in der indischen Diaspora gegründet wurden. Und es sind vorzugsweise die Klöster, neben der Landschaft, welche Tausende von Touristen jedes Jahr anlocken. Auch in Ladakh als Teil des Bundesstaates Jammu und Kashmir kam es zu Problemen beim Zusammenleben von Muslimen und Buddhisten. Erstere lebten schon seit dem 17. Jahrhundert in Ladakh. Das Kernland Ladakhs blieb jedoch buddhistisch und die Probleme entstanden vorwiegend erst infolge des Kashmir Konflikts.
Die Teilung Indiens, die Kriege zwischen Pakistan und Indien um Kaschmir, zu dem Ladakh politisch seit dem Mitte des 19. Jahrhunderts zählt, die Grenzschließung durch China die den traditionellen Handel über, den Karakorum beendete, der Krieg zwischen China und Indien im Jahr 1962, und die Öffnung der Region für den Tourismus 1974, führten zu einschneidenden Veränderungen in Ladakh. Durch den Bau von Straßen und dem Flughafen in Leh konnte die Region leichter erreicht werden. Zig Tausende von Soldaten, die in den unzähligen Kasernen im Industal und Nubra Tal stationiert sind, dazu Touristen, die seit der Öffnung der Region in steigender Zahl nach Ladakh reisen und hierbei auch weit abgelegene Dörfer besuchen, führten zu großen wirtschaftlichen Veränderungen. Die indische Armee und der Tourismus sind heute das wirtschaftliche Rückgrat der Region.
Wie reagierte die Bevölkerung auf diesen Wandel? Wer nach Ladakh reist, wird beim Besuch dieser beeindruckenden Bergregion die vielfältigen Antworten erhalten.

 

2. Trekking in Ladakh

Die Haupttrekkingsaison beginnt von Juni und reicht bis Ende September. Die Trekkingwege sind fast ausnahmsweise Wege, die auch von Einheimischen benutzt werden, um benachbarte Dörfer oder Täler zu besuchen. Hohe Pässe sind deshalb zu überwinden und Wasserläufe müssen über - oder durchquert werden. Der Monsun wird durch die hohen Gebirgsketten doch meist davon abgehalten, niederschlagsreiche Wolken nach Ladakh zu führen. Eine Veränderung des Klimas ist aber auch schon in Ladakh nachweisbar. Die Bäche führen am Anfang der Saison mehr Wasser mit sich, was die ein oder andere Bachdurchquerung erschweren kann. Ende August und September sind die Wasserläufe merklich kleiner. Gleichwohl schwellen die Wasserläufe bei mehrtägigem Regen sehr schnell an und werden dadurch zu schwierigen Hindernissen. Die Luft ist wegen der Höhe dünn und trocken und der am Nachmittag aufkommende Wind trägt oft Staub mit sich. Tagsüber kann es sehr warm werden und nachts empfindlich kalt. Die Vegetation ist ziemlich spärlich.
Trekking in Ladakh ist eine besondere Erfahrung, weil diese Mischung aus Landschaftserlebnis und buddhistischer Kulturerfahrung allenfalls noch in Spiti erlebbar sein dürfte.

 

3. Geschichte

Bis vor dem 10. Jahrhundert u.Z. lässt sich wegen der Quellenlage nur ein vages Bild nachzeichnen. Es waren vermutlich zuerst Einwanderungsgruppen der Darden, eine indoiranische Ethnie, die sich vom unteren Indusgebiet ausgehend, das obere Indusgebiet besiedelten. Schon die klassischen Autoren Megasthenes und Ptolemäus berichteten von dieser Ethnie. Aus dem Osten kommend wanderten als Nomaden herumziehenden tibetische Ethnien in das Gebiet ein. Wohl schon damals als auch später vermischten sich die verschiedenen eingewanderten Bevölkerungsgruppen. Im 8. und 9. Jahrhundert u.Z. wurde Ladakh und das benachbarte Baltistan vom tibetischen Großreich kontrolliert. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich der tibetische Buddhismus noch nicht zu seiner bis in die Gegenwart hinein reichenden Form entwickelt. Und die Zeugnisse des Buddhismus vor jener Zeit, z.B. die in Stein gehauenen Buddhastatuen von Mulbekh oder Shey basierten auf vortibetische Herkünfte. Unter dem Herrscher Sron-tsan-gam-po, der den Buddhismus zur Staatsreligion erklärte, wurden die verschiedenen tibetischen Ethnien vereinigt und die Expansion seines Königreiches nahm seinen Lauf und erreichte nach dem Zusammenbruch 842, als der achte Nachfolger Lang-dar-ma ermordet wurde, niemals wieder eine solche Größe. Für Ladakh, das fern im Westen des ehemaligen tibetischen Reiches lag sollte in Person eines Nachfahrens jener Königsfamilie, der zusammen mit anderen nach Westtibet floh, eine neue Herrscherdynastie entstehen. Nyima-Gon´s teilte sein Reich unter seine drei Söhnen auf, das u.a. Purang, Guge, Spiti, Lahaul, Zanskar und Ladakh umfasste. Guge spielte für die Entwicklung des tibetischen Buddhismus, "der zweiten Verbreitung“, eine herausragende Rolle. Der Herrscher von Guge Yeshe –Ü schickte mehrere junge Männer nach Kashmir und anderen nordindischen Lehrzentren des Buddhismus. Unter diesen war Rin-chen-zang-po (958-1055), der durch seine Übersetzungen und dem Bau vieler Klöster in Westtibet, nachhaltig die Entwicklung des tibetischen Buddhismus beeinflusste. Unter den Klöstern, die aus jener Zeit stammen, zählen Tabo in Spiti und auch Alchi in Ladakh dazu. Der bekannte Gelehrte Atisa (982-1054) wurde von dem Nachfolger von Yeshe Ü im Jahr 1042 eingeladen und verbrachte zwei Jahre in Tholing. Danach ging er nach Lhasa und Zentraltibet, wo er als verehrter Meister seine Lehre verbreitete. Atisa und andere nach ihm folgende Gelehrte gründeten in Zentraltibet eigene Schulen und Klöster. Für Ladakh, das bis dato kulturelle und religiöse Inspirationen aus Kashmir und Nordindien bezog, bedeutete der Niedergang des Buddhismus in Nordindien und die Islamisierung Kaschmirs und Baltistans, eine Hinwendung in Richtung Tibet. In Ladakh selbst konnte sich keine eigenständige buddhistische Lehrschule oder künstlerische Eigenform entwickeln.
Für den Zeitraum bis zum 15. Jahrhundert ist die schriftliche Quellenlage nicht sehr ergiebig. Gleichwohl lassen sich aus den Chroniken der Herrscher von Ladakh weitgehendst die Abfolge der jeweiligen Herrscher bestimmen und einige geschichtliche Vorkommnisse werden zudem benannt. Nach dieser eher „dunklen“ Periode folgt indes eine weitaus besser dokumentierte nachfolgende Periode. Am Anfang des 15. Jahrhunderts mussten sich Ladakh und Guge gegen den ersten Überfall von dem nunmehr muslimisch geprägten Kashmir erwehren. Diese Raubüberfälle und Plünderungen sollten für die nächsten zwei Jahrhunderte noch mehrere Male stattfinden. Aber daran waren auch zentralasiatische und baltische Invasoren beteiligt. Ladakhs geografische Stellung, die politische Zersplitterung und die Stärke der Nachbarn bestimmten das Los der Region. Die Könige von Ladakh hatten außerdem stets genügend Probleme ihre Vasallen zu kontrollieren.
Nachdem sich in Zentraltibet der von Tson-ka-pa (1357-1419) gegründete Ge-lug-pa Mönchsorden immer stärker ausbreitete, fand diese neue Lehrrichtung auch unter dem König von Ladakh Trags-bum-de seine Unterstützung. Das Kloster Spituk bei Leh war die erste Gründung der „Gelbmützen“ in Ladakh. Andere Neugründungen folgten und ältere bestehende Klöster wie Likir nahmen die neue Lehrmeinung an.
Im 15. Jahrhundert führten zwei Brüder die zwei Königreiche mit den Hauptstädten Shey einerseits und Basgo und Tingmogang andererseits an, wobei die Shey Linie das legitime Anrecht auf die Königslinie beanspruchen konnte. Bhagan (von 1470-1500 König) ein Sohn der Basgo Ahnenlinie bezwang indessen den König der Shey Linie. Damit entstand die zweite und auch letzte Königsdynastie Ladakhs, die sich bis in das 19. Jahrhundert hinein an der Macht halten konnte. Ihr Name „Namgyal“ bedeutet „vollkommene Sieger“ und so benannte Bhagan auch seine zwei Söhne. In einem Kampf um die Macht unter späteren Nachfolgern entriss der jüngere von zwei Brüdern namens Tashi Namgyal (ungefähr von 1555-1575 König) dem älteren Bruder Lhawang die Macht, nicht ohne dem Letzteren die Augen zu zerstören und ihn in das Dorf Lingshed zu verbannen. In seiner Regierungszeit bewies er seine Fähigkeiten sowohl sich gegen muslimische Angriffe erfolgreich zur Wehr zu setzen als auch neue Gebiete zu erobern, wozu auch die zeitweise Herrschaft über Guge gehörte. Weil aber Tashi Namgyal keine männlichen Nachfolger zeugte, kam ein Sohn des blinden Lhawang auf den Thron. Tshe Wang Namgyal trat erfolgreich in die Fußstapfen seines Vorgängers und seine Macht reichte sogar bis Mustang, Kulu und Baltistan. Ihm folgte sein Bruder Yamyang. Diesem war das Regierungsglück nicht gegönnt. Ein verlorener Krieg gegen die muslimischen Baltistanis und ihrem Anführer Ali Mir aus Skardu, Gefangennahme, Zerstörung und Plünderung vieler Klöster in Ladakh und zudem musste er, auf Geheiß Ali Mirs, eine von dessen Töchtern heiraten. Danach durfte er wieder zurück nach Leh gehen und weiterregieren. Aus der Heirat entsprang ein Sohn mit Namen Sengge, was Löwe bedeutet und auf einen Traum von Ali Mir zurückgehen soll. Sengges Vater und er selbst sorgten dafür, dass sich der Buddhismus in Ladakh neu belebte. Die enge Verbundenheit von Sengge Namgyal mit dem bekannten tibetischen Priester Stag-tsang-ras-pa, der dem Drug-pa Mönchsorden angehörte, mündete in den Bau mehrerer Klöster, wie Hanle und Hemis. Auch der noch heute bestehende, aber unbewohnte und restaurierende Palast in Leh wurde unter seiner Regentschaft erbaut. Den Thron bestieg er als Minderjähriger 1616 und im Jahr 1630 eroberte er Guge und schickte den dortigen Herrscher nach Ladakh in das Exil, nicht ohne später einen seiner Söhne als neuen Herrscher einzusetzen. Das seinerzeit unabhängige Zanskar kam ebenso unter die Herrschaft von Ladakh. Im Kampf gegen die Muslime in Baltistan und Purig - dem unteren Industal – musste er eine Niederlage hinnehmen und der Forderung an jährliche Tributzahlungen an Kashmir akzeptieren. Nun aber machte Sengge Namgyal und sein Nachfolger den großen Fehler allen Handel von 1639 bis 1663 mit Kashmir zu unterbinden. Für eine Region wie Ladakh war der jahrhundertlange Transithandel über ihr Gebiet die Garantie für einen Wohlstand, der durch nichts ausgeglichen werden konnte, umso erstaunlicher und unverständlicher war dieser Akt, wohl nicht nur aus heutiger Perspektive.
Nach seinem Tod und einer Zwischenregentschaft seiner Witwe wurde das Reich unter die drei Söhne aufgeteilt. Der Älteste erhielt das eigentliche Ladakh, der Mittlere bekam Guge und der jüngste Sohn Zanskar und Spiti. Auf Druck Kaschmirs und des Moghul Herrschers Aurangzeb musste Deldan letzten Endes eine Moschee in Leh errichten. Dessen Expansionsstrebungen in Purig und Baltistan waren kurzzeitig erfolgreich, aber der Umstand, dass sich die Gelug-pa Sekte die Macht in Tibet an sich reißen konnte, jedoch in Ladakh durch die Drug-pa Sekte infolge der Patronage durch das Königshaus das Nachsehen hatte, ließ sich der 5. Dalai Lama nicht mehr länger bieten und entsandte eine Armee. Nach drei Jahren Belagerung von Basgo und mit der Unterstützung der kaschmirischen Armee wurden die Tibeter 1683 zurückgetrieben. Mit der Konsequenz, dass sich Deldan den islamischen Glauben annehmen und die Oberhoheit der Moghul Herrscher akzeptieren musste. Die Kaschmiris sicherten sich auch noch das ausschließliche Recht auf den Handel mit Paschmina. Damit nicht genug. Ein Jahr später musste der König von Ladakh den Vertrag von Tingmosgang unterschreiben, indem Tibet und Ladakh die Grenzen festlegten und Ladakh Guge endgültig verlor. Ferner musste Deldan auch den Gelug-pa die gleichen Rechte zugestehen, wie den Drugpa und sicherheitspolitisch verlangte Tibet von Ladakh, dass keiner indischen Armee der Durchgang erlaubt werden solle. Damit auch die Herrschaftsverhältnisse zwischen den zwei Reichen auch förmlich festgelegt waren, musste Ladakh alle drei Jahre eine Karawane, die Lo-pchak, mit Geschenken an Lhasa entsenden. Die tibetische Regierung entsandte jährlich eine Karawane, die hauptsächlich Tee mit sich führte.
Für Ladakh war der Zenit der Machtausübung der zweiten Königsdynastie überschritten, aber zu Ende war ihre Macht erst 1834. Zwischenzeitlich kam es zu einem steten Verfall der politischen Herrschaft durch die Königsfamilie, sei es aus Kalkül destruktiver Kräfte oder einfach nur durch Unvermögen. Als Kashmir unter die Herrschaft des Sikh Regenten Ranjit Singh fiel, dessen Herrschaftsgebiet stetig wuchs und auch den Dogra Herrscher und Raja von Jammu, Gulab Singh, mit einschloss, sollte sich der Strick langsam zuziehen. Denn Letzterer hatte im Sinn den Pashminahandel unter Kontrolle zu bringen. Zorawar Singh war dessen Oberbefehlshaber und ihm gelang es, mit einer Armee über Kishtwar und Zanskar ziehend, in Ladakh einzufallen. Ohne nennenswerte Gegenwehr erreichten sie schon bald Kargil. Wegen des Winters wurde der Vormarsch gestoppt und ein Verhandlungsangebot an die Ladakhis von diesen abgelehnt. Im Frühling des folgenden Jahres wurde dann der Feldzug fortgeführt und Leh erobert. Vertraglich wurden jährliche Tributzahlungen an den Sikh Herrscher fixiert und der König von Ladakh zu einem Vasall degradiert. Da sich der König Tshe-spal nicht sonderlich gefügig verhielt, wurde er erst abgesetzt und dann später wieder als König eingesetzt. Sein Enkel Jigmet Namgyal wurde noch als Minderjähriger sein Nachfolger. Aber was außer dem Titel gestanden die neuen Herrscher dem „König“ zu? Nicht viel: ein Recht in Ladakh zu leben, solange der König sich friedfertig verhält und Landbesitz in Stok, wo er sich einen neuen Palast erbaute und das heute einem kleinen Museum Platz bietet. Für die Ladakhis indessen währt der Status und das Prestige der Königsfamilie bis in die Gegenwart hinein.
Für Ladakh wurde in einem Vertrag von 1842, der nach einem für die Dogras verlustreichen Krieg zwischen ihnen und Tibet geschlossen wurde, vertraglich festgelegt, dass die Dogra die rechtmäßigen Herrscher von Ladakh seien.
Der Handel in Ladakh wurde durch die politischen Krisen nicht in Mitleidenschaft gezogen.

 

4. Zanskar

Umgeben von Gebirgsketten, ein Zugang nur über hohe Pässe möglich, die im Winter tief verschneit sind, lebte die Bevölkerung von Zanskar in einem scheinbar abgeschiedenen Teil des Himalaya. Aber die Geschichte dieser Region weist regelmäßig Ereignisse auf, die offenbaren, wie sehr die äußeren Einflüsse das Schicksal der Region bestimmten.
Zanskar wurde zuerst von Mons und Darden bevölkert, erst später siedelten sich tibeto-mongolische Bevölkerungsgruppen hier an und verdrängten die älteren Siedler. Eine Chörte in Sani, unter Kanishka, einem Herrscher des buddhistischen Kushana Reiches, das Nordindien und Kashmir umfasste, im 2. Jahrhundert erbaut, lässt die Deutung zu, dass sich der Buddhismus hier schon früh etablierte. Die für die zweite Verbreitung des Buddhismus wichtigen Lehrer Naropa und sein Schüler Marpa lebten hier zeitweise. Auch der Bau von Klöstern, Chörten stimuliert durch das Wirken von Rinchen Zangpo, dem großen Gelehrten und Übersetzer, führte zu künstlerischen Impulsen. Wie seiner Zeit der Fall prägten die Künstler und Handwerker aus Kaschmir den künstlerischen Stil bei der Ausgestaltung der neuen Tempeln, die unter dem in Zanskar lebenden Phagspa Shesrab erbaut wurden. Nachdem Tsongkhapa den Gelug-pa Orden gegründet hatte, war dieser reformierte Zweig des tibetischen Buddhismus späterhin auch hier in Zanskar erfolgreich. Von Shesrab Zangpo, einem Schüler Tsongkhapas eingeführt, nahmen die Klöster Rangdum, Karsha, Stongde, Pgugtal und Mune die neuen Lehren an. Die in Bhutan herrschende Drukpa-Kargyüpa Lehre, im 17. Jahrhundert entstanden, wurde besonders vom ladakhischen König Sengge Namgyal unterstützt. Hier in Zanskar erhielt der Orden auch königliche Unterstützung – Ländereien, Schenkungen und der Bau des Klosters Bardan. Aber der regierende König Sengge Lde hatte weniger Glück mit seinem Schwager, dem König Sengge Namyal, denn dieser machte der Unabhängigkeit von Zanskar gewaltsam ein Ende. Der König floh und einer der Söhne von Sengge Namgyal erhielt als Erbe Zanskar und Spiti als Erbe. Nach zwei weiteren Nachfolgern wird das Königreich in Zanskar und Zangla aufgeteilt. Da sich die Mongolen von 1680 bis 1683 nicht nur mit der Belagerung der ladakhischen Festung Basgo zufriedengeben wollen, werden zudem Zanskar überfallen und geplündert, jedoch nicht völlig besiegt. Ladakh, das mithilfe des muslimischen Herrschers von Kashmir die Mongolen bezwang, musste die Oberhoheit von Kashmir anerkennen und war folglich nicht mehr länger unabgängig. Für den Herrscher aus Kulu war deshalb die Zeit gekommen, den geschwächten Nachbarn Zanskar zu überfallen und zu plündern. Im Jahr 1822 erleidet Zanskar nochmals das gleiche Schicksal. Als die Dogra dem Königtum Ladakhs zum Todesstoß ansetzen plündern sie zuerst Zanskar und zerstören die Burg in Padum und besiegen darauf auch die Ladakhi. Der Widerstand der Bevölkerung in Zanskar nützt nichts: Er wird niedergeschlagen, der alte König nach Jammu gebracht, das alte Herrschafts- und Besitzsystem beendet, ein neuer König eingesetzt und das Land von meist muslimischen Beamten der neuen Herrscher verwaltet. Die Nachfolger der zwei Königslinien verloren in den auf die Unabhängigkeit folgenden Jahrzehnten ihren politischen Einfluss.

 

5. Menschen in Ladakh

Die Bevölkerung in Ladakh setzt sich in religiöser Hinsicht aus den beiden zahlenmäßig gleichen Gruppen von Buddhisten und Muslimen zusammen. In Zanskar ist z.B. der Hauptort Padum mehrheitlich von Muslimen bewohnt, während die umliegenden Dörfer buddhistisch sind. In Leh und näherer Umgebung gibt es Muslime, die sich einstmals im Zuge der Handelsaktivitäten dauerhaft niederließen, und aus den alten zentralasiatischen Handelsorten Yarkand, Khotan und Kashgar stammten. Im zentralen und östlichen Ladakh hatte anders als in Baltistan und im westlichen Ladakh der Islam keine Auswirkungen auf die religiöse Orientierung. In den letzteren Gebieten kam es schon im 15. Jahrhundert zu Konvertierungen.
Die christliche Missionierungsaktivitäten waren wenig erfolgreich. Für die Erforschung der Geschichte, die Gründung von Schulen und Krankenhäuser war das Wirken der Missionare jedoch von Vorteil.
Das friedliche und tolerante Miteinander der unterschiedlichen Religionsgruppen wurde durch den Kaschmirkonflikt belastet. Als integraler Bestandteil des Bundesstaates Jammu und Kashmir wird sich Ladakh, solange das politische Problem über die Zugehörigkeit von Kashmir nicht gelöst wird, gegen die Auswirkungen dieses Konflikts nur mit allen Anstrengungen und Willen aller Beteiligten immunisieren können.
Dem Status nach gibt es Unterschiede, inwiefern jemand von einer der alten Aristokratenfamilien stammt oder nicht. Erstere sind statusmäßig an oberster Stelle angesiedelt, während in Zentral- und Ostladakh an unterster Stelle die zur ältesten Bevölkerungsschicht zählenden Mon oder Darden rangieren. Diese üben meist spezielle Handwerkertätigkeiten, wie Schmiede oder Zimmermänner aus, oder sind gewissermaßen Berufsmusikanten. Die Statusunterschiede sind z.B. bei Festlichkeiten an der Sitzordnung der Teilnehmer zu beobachten. Das tägliche Miteinander in Ladakh ist bei Weitem nicht durch eine dem hinduistischen Kastensystem eigenen mannigfaltigen Interaktionsregeln beschränkt. Es herrscht daher ein viel freizügigerer und gleichberechtigter Umgang in der ladakhischen Gesellschaft.
Die Sprache Ladakhs basiert auf dem Tibetischen. Schriftsprachlich tibetisch aber als gesprochene Sprache ein Dialekt, der für einen Tibeter aus Lhasa nicht mehr verständlich ist. In den Klöstern tibetisch, als offizielle Amtssprache englisch, in der Verwaltung und in der Schule Urdu – keine Frage – das Ladakhische steht unter großem Druck seine Bedeutung zu verlieren und für viele Kinder ist Urdu eine Fremdsprache. In Zanskar, das verwaltungstechnisch mit Kargil zusammen eine Einheit bildet, sehen sich viele buddhistische Bauerneltern dazu gezwungen ihre Kinder ins ferne Manali zu senden, weil die vorhandenen Schulen qualitativ schlecht und über Monate geschlossen sind und sich in Manali auch tibetische Schulen befinden.
 

Familienleben

Für viele Regionen des Himalajas war es über Jahrhunderte hinweg üblich, dass meistens Brüder mit nur einer gemeinsamen Frau verheiratet waren. Diese polyandrische Familienform war auch in Ladakh, bis in die jüngere Vergangenheit hinein, die vorherrschende Heiratsform. Es basiert auf der Überlegung, dass immer nur eine Heirat pro Haushalt einer Überbevölkerung vorbeugt und eine Landaufteilung unter mehreren Söhnen langfristig unwirtschaftlich wäre. Die Polyandrie ermöglichte den Klöstern einen steten Zufluß von Novizen, da aus jeder Familie mindestens ein Sohn das Leben als Mönch führen sollte. Aufgrund der intensiven Kontakte mit der Außenwelt und den ökonomischen Wandel in der zweiten Hälfte des vorherigen Jahrhunderts kam es auch hier zu einem Wandel. Vom nicht nur orthodoxen hinduistischen Standpunkt betrachtet als moralisch und ethisch verwerflich eingestuft, passten sich die Ladakhis den moralischen Normen und Werten der Mehrheitsgesellschaft an, sodass es heute nur noch vergleichsweise wenig polyandrische Familien gibt und man noch weniger gern darüber spricht. Der geringere wirtschaftliche Druck für die Söhne, wegen neuen Beschäftigungsmöglichkeiten im Dienstleistungsbereich, Armee oder Verwaltung, machte es ihnen auch möglich außerhalb der traditionellen Landwirtschaft ein Auskommen zu finden und eine eigene Familie zu gründen. Für die Klöster bedeuteten die veränderten Beschäftigungsmöglichkeiten eine geringere Zahl an Novizen.
Wie auch immer man diese Entwicklung bewerten mag, so hat sich dennoch vieles des traditionellen Familienlebens erhalten können. Darunter fällt auch die traditionell starke Stellung der Frau. Ihre Präsenz in der Öffentlichkeit und ihr Auftreten kann man auf den Straßen Lehs und auch andernorts beobachten.
Eine andere buddhistische Tradition ist es, dass die Übergabe der Macht von Vater auf den Sohn oder den Söhnen, noch zu Lebzeiten des Vaters erfolgt. Nach der Heirat des ältesten Sohnes zog der Vater und die Mutter in ein kleineres Haus und überließen dem Sohn das Erbe. Diese Praxis der frühen Nachfolgeregelung wurde auch in den König- und Fürstenhäuser praktiziert.
Der Zusammenhalt von Dörfern oder unter Verwandten wird durch zwei verschiedene Formen von Allianzen gestärkt. In der einen der Pha-spun Gemeinschaft schließen sich Familien zusammen, um sich bei Familienfeierlichkeiten gegenseitig zu unterstützen. In Ladakh und Nubra setzen sich diese aus nicht-verwandtschaftlich verbundenen Familien zusammen, während in Zanskar die Familien über die väterliche Verwandtschaftslinie verbunden sind. Eine solche Gemeinschaft verehrt auch einen gemeinsamen Schutzgott. Früher wurde diesem auch ein Tieropfer dargebracht, weil man diesen gnädig stimmen wollte.
In der anderen Gemeinschaft der Chos-spun werden zwei Personen in Anwesenheit eines Lama rituell verbunden. Dadurch entstehen aber für die betreffenden Personen keine feste Verpflichtungen.
Im Alltag ist das Trinken des „Buttertees“ nicht wegzudenken. Das Gemisch aus Tee, Butter und Salz wird in einem hölzernen zylinderförmigen Behälter hergestellt und wird natürlich auch jedem Besucher angeboten. Der Geschmack erinnert eher an eine leichte Brühe als an Tee. Die eindrucksvolle Küche steht im Zentrum des häuslichen Familienlebens und darin befindet sich ein Herd aus Lehm oder Eisen, die Regale mit dem Koch- und Essgeschirr, die Sitzteppiche und die niederen Holztische. Neben den Schlaf- und Lagerräumen kann ein zusätzlicher reichlicher ausgestatteter Raum für besondere Anlässe eingerichtet sein. Der Abschluss macht der Gebetsraum.
Die Ernährung war traditionell sehr einfach und wenig abwechslungsreich: Tsampa, das geröstete Gerstenmehl, wird gemischt mit Buttertee, Wasser oder auch ganz einfach als Pulver gegessen, Suppen mit verschiedenen Zutaten wie Fleisch, Nudeln und Gemüse, und dann noch mit Fleisch gefüllten Teigbällchen. Der Trockenkäse und das luftgetrocknete Fleisch sind sehr lange haltbar und gehören ebenso zu den traditionellen Lebensmitteln. Wie in den meisten Regionen des HimaIaja auch üblich wird Fleisch eher im Winter gegessen, weil es während der kalten Jahreszeit länger haltbar ist. Im Zuge der Militäransiedelung und des Tourismus haben sich viele Bauern dem Gemüseanbau verschrieben, was man jeden Tag an den in Leh, im Basar am Straßenrand sitzenden Bäuerinnen selbst sehen kann. Buttermilch und Joghurt wird aus der Milch gewonnen und das gegorene Gerstenbier – Chang – war und ist ein täglicher Begleiter bei Mahlzeiten und natürlich erst recht bei Festlichkeiten!
Mit der Geburt eines Kindes, einer Heirat oder einem Todesfall sind zahlreiche rituelle Handlungen verbunden. Diese Übergangsriten sind vorwiegend Ausdruck einer Gemeinschaft den Status eines Individuums zu definieren und die Beziehungen eines Individuums zu Einzelpersonen und der Gemeinschaft zu markieren und zu fixieren. Die Integration in eine Gruppe und die Sicherheit der Gemeinschaft sind zentrale Anliegen einer jeden Lebensgemeinschaft. In Ladakh fällt dem Lama hierbei eine große Rolle zu. Sei es u.a. bei der rituellen Reinigung des Hauses nach der Geburt, beim Beten zum Wohlergehen eines Neugeborenen, bei der Heirat oder bei den umfangreichen Todeszeremonien. Zu den Letzteren zählt auch die Herstellung der aus der Asche des Verstorbenen und Lehm hergestellten Votivgaben, die im Gebetsraum des Hauses aufbewahrt werden. Vielleicht wird auch noch ein Chörten zur Erinnerung an den Verstorbenen erstellt. Für alle Dienstleistungen der Mönche müssen diese auch bezahlt werden.
Das Alltagsleben erfährt durch die jährlich stattfindenden Klosterfesten eine willkommene Abwechslung.